Drehscheibe Nr. 96 Dezember 2021

8 | Ausgabe 96 - Dezember 2021 INTERVIEW | Verkehrsexperte DI Dr. Harald Frey Drehscheibe: Herr Dipl.-Ing. Dr. Frey, welches Verkehrsmittel ist dem Verkehrsexperten das Liebste und warum? DI Dr. Frey: Kurze Distanzen lege ich gerne zu Fuß zurück, in der Stadt benütze ich, um rasch zu Terminen zu kommen mein Fahrrad und für größere Distanzen und innerhalb Österreichs bin ich mit Bahn und Bus unterwegs. So gesehen habe ich mehrere Lieblingsverkehrsmittel, je nach Bedarf und Situation – aber alle als Teil des so genannten Umweltverbundes. Drehscheibe: Sie setzten sich für den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, verkehrsberuhigende Maßnahmen, Fußgängerzonen, urbane Naherholungsmöglichkeiten und die Steigerung von Luft- sowie Lebensqualität ein. Was braucht es, um alle diese Ziele zu erreichen? DI Dr. Frey: Überzeugung und Engagement sind wesentliche Faktoren - sowohl in der Politik als auch der Verwaltung und bei Planer:innen. Nichts ist schwieriger als den Status quo zu verändern. Planung ist ein abstrakter Prozess; man muss den Menschen – die mit den Lösungen leben müssen – beweisen, dass „das Neue“ wesentliche Verbesserung bringt. In der Zwischenzeit gibt es erfreulicherweise eine Vielzahl an erfolgreichen Beispielen, die zeigen, wie Verkehrsberuhigung, die Verbesserung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum oder die Stärkung der Region durch öffentliche Verkehrsmit- „Bekenntnis zur weiteren Stärkung der GKB als zentralen Mobilitätsdienstleister“ Das GKB-Magazin Drehscheibe sprach mit dem bekannten Verkehrsexperten DI Dr. Harald Frey von der Technischen Universität Wien über den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Mobilitätswende in Österreich, die Elektrifizierung der GKB und europäische Verkehrspolitik. tel einen Mehrwert für die Bevölkerung bringen, Abhängigkeiten vom privaten Pkw reduziert werden können und mit der Umsetzung dieser Maßnahmen ein Beitrag zur Klima- und Mobilitätswende geleistet wird. Drehscheibe: Welche Bedeutung haben lokal gut verankerte, Regionalbahnunternehmen für die Umsetzung der Klima- und Mobilitätswende? DI Dr. Frey: Ob eine Mobilitätswende tatsächlich gelingen kann, hängt wesentlich von den Strukturen und Entwicklungen in den Regionen außerhalb der Städte ab. Überall, wo heute noch Schieneninfrastrukturen existieren und Gemeinden zusammen mit erfolgreichen Regionalbahnunternehmen dafür sorgen, dass attraktive Alternativen zum Auto geschaffen und erhalten werden, finden wir jene Ausgangssituation für die Bewältigung der Klima- und Mobilitätswende vor, die wir eigentlich flächendeckend in Österreich benötigen würden. Die Regionalbahnunternehmen als Mobilitätsdienstleister sind die entscheidende Kraft, die es den Menschen ermöglicht, umweltfreundlich und klimaschonend sowohl zwischen den Gemeinden in den Regionen mobil zu sein, als auch verlässlich und stressfrei die Ballungszentren zu erreichen. Drehscheibe: Auf der Agenda der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH stehen bis 2030 massive Infrastrukturmodernisierungen und die Elektrifizierung des gesamten Streckennetzes. Wie beurteilen Sie dieses Jahrhundertprojekt für die Weststeiermark? DI Dr. Frey: Die geplanten Investitionen in die Schieneninfrastruktur sind ein klares Bekenntnis zur weiteren Stärkung der GKB als zentralen Mobilitätsdienstleister in der Region. Um die verkehrspolitischen Zielsetzungen der Verlagerungen von Verkehrsaufkommen von der Straße auf die Schiene zu erreichen, benötigt es auch eine moderne und an das steigende Fahrgastaufkommen angepasste Infrastruktur. Die Ausgestaltung der Haltestellen und Bahnhöfe als multimodale Knotenpunkte, ergänzt durch Sharingund Mikro-ÖV Konzepte kann das Fahrgastpotenzial heben und die Attraktivität der Regionalbahnen zusätzlich stärken. Die Elektrifizierung des Streckennetzes liefert einen entscheidenden Beitrag zur CO2-Reduktion. Drehscheibe: Welche regional- bzw. volkswirtschaftlichen Effekte hat der Ausbau des öffentlichen Mobilitätsangebots? DI Dr. Frey: Regionalwirtschaftliche Effekte ergeben sich bereits direkt in der Phase der Errichtung, von größerer Bedeutung sind jedoch jene Effekte, die erst nach der Inbetriebnahme und durch das Vorhandensein der neuen bzw. attraktivierten Infrastruktur wirksam werden. Dazu zählen die direkten Beschäftigungseffekte, welche durch den Betrieb der Verkehrsinfrastruktur und damit durch die Regionalbahn induziert werden sowie eine Vielzahl weiterer regionalwirtschaftlicher Effekte, die allgemein durch das Vorhandensein von Infrastruktur und im Speziellen durch Eisenbahnstrecken ausgelöst werden. Ein attraktives öffentliches Mobilitätsangebot ermöglicht den Pendelnden eine kostengünstige und bequeme Alternative zum Pkw und erhöht den Standortvorteil von Unternehmen entlang von Achsen des öffentlichen Verkehrs. Bahnanschlüsse von Industrie- und Gewerbebetrieben stellen einen weiteren Standortvorteil dar, wenn durch die zusätzliche Verbindung Transportzeiten und oder -kosten eingespart werden können. Nicht zuletzt sind die Effekte auf

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