Drehscheibe Nr. 94 Juni 2021

23 Ausgabe 94 - Juni 2021 | Kanada - Mit dem Schiff zur Bahn / Teil 1 | REISEBERICHT Die Eisenbahn nimmt Fahrt auf Ein Brauereibesitzer und ein paar Kaufleu- te aus Montréal gründeten 1834 die ers- te Bahnlinie Kanadas, die Champlain and St. Lawrence Railroad (C&SL). Ziel der C&SL war es, beim Gütertransport vom St. Lorenz-Strom bei Montréal die Strom- schnellen an der Nord-Süd-Verbindung auf dem Wasserweg nach New York zu umgehen. 1836 wurde, nach einem Jahr Bauzeit, die Eisenbahn eröffnet. Bereits 1862 hat es eine Konferenz in Québec, um eine Vereinbarung über die Finanzie- rung der Bahnlinie, mit den Atlantikko- lonien und Kanada gegeben. Durch die Zusagen zum Bau einer gemeinsamen Bahnlinie im British North America Act (BNA Act) von 1867, kam es zu einem Zusammenschluss der Provinzen von Nova Scotia, New Brunswick und Kana- da, wobei die Bezeichnung „Kanada“ auf den gesamten Bundesstaat übertragen wurde. Die Provinz Québec wurde dabei aus sprachpolitischen Gründen in Ontario und Québec geteilt. Unter diesen Bedin- gungen schloss sich auch 1871 die am Pazifik gelegene Kolonie Britisch Colum- bia der neuen Konföderation an. Diese politische Untersicherheiten führten zur verstärkter Aufmerksamkeit entlang der Grenzen, da die einzige Eisenbahnlinie, mit der die britischen Kolonien miteinan- der verbunden war, über die USA führte. Industrie und Handel benötigten auch neue Quellen für Rohstoffe und Märk- te zum Absetzen ihrer Produkte. Seit 1855 wurde die Bahnlinie in Etappen von Montréal südlich des St. Lorenz-Stroms entlang in Richtung Osten und weiter bis zum St. Lorenz-Golf und dann wei- ter südlich an der Atlantikküste entlang bis 1876 ausgebaut. Einige Abschnitte führten über schwierigste Bergstrecken. Personenzugsverkehr gibt es heute nur mehr auf der Hauptstrecke nach Halifax. Auf den Nebenstrecken gibt es nur mehr Güterverkehr. Damals gab es erstmals das Vorgängermodell eines „Intermoda- len Verkehrs“. Dabei wurden Landwirte aus der weiteren Umgebung um 50 km mit ihren Gespannen auf Güterwaggons verladen, damit sie leichter an einem Tag von ihren Höfen zu den Märkten in Halifax und retour gelangen konnten. Zwischen 1881 und 1885 wurde eine transkonti- nentale Eisenbahnverbindung von Mon- tréal im Osten und Vancouver im Westen errichtet. Die Gleistrasse verlief zwischen 45 und 250 km nördlich entlang der süd- lichen Grenze mit den USA und war etwa 5.500 km lang. Nebenbei wurden auch die dazwischen gelegenen späteren Pro- vinzen Alberta, Manitoba und Saskatche- wan erschlossen. Nachdem der Betrieb 1886 aufgenommen werden konnte, er- reichte man nach siebentägiger Zugfahrt den östlichsten Ort am Burrard Inlet, Port Moody. 20 km westlich davon mündet dieser Fjord bei einer kleinen Siedlung mit natürlichem Hafen und Sägewerken in den Pazifik. Die Eisenbahn entschloss sich daher später den Endpunkt der Bahnlinie dorthin zu verlegen. Der Ort war 1886 gegründet worden und nach dem britischen Kapitän und Landvermesser George Vancouver benannt worden. Die heute drittgrößte Stadt Kanadas verfügt über den größten Hafen des Landes. Die Eisenbahnen beförderten nun auch Pflü- ge und Windräder für die Landwirtschaft bzw. in die Gegenrichtung die Rinder zu den Schlachthöfen, sowie Holz und Erze zur Weiterverarbeitung in die Industrie- gebiete. 1921 wurde diese Bahnverbin- dung im Wahlspruch des neu geschaf- fenen Wappen Kanadas „A Mari Usque Ad Mare“ (Von Meer zu Meer) gewürdigt. Vergessen wir dabei nicht: Zu den Bahn- linien zwischen Atlantik und Pazifik gab es bis zur Eröffnung des Panamakanals 1914 als Alternative nur die Schiffsroute über Kap Hoorn. In durchschnittlich 175 Tagen fuhr man um die Südspitze Latein-

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