Drehscheibe Nr. 93 März 2021

9 Ausgabe 93 - März 2021 | und Italien eingereicht. Italien ist schon lange ein Markt für uns. Hier haben wir bisher mit Partnern gearbeitet. Langsam steigt aber das Volumen und es wird Zeit, mit eigener Kraft zu arbeiten. Bulga- rien bildet den Abschluss zur EU-Grenze an die Türkei, von wo es große Waren- ströme gibt. Als Idee existiert in unseren Köpfen noch die Expansion ins Baltikum, weil es hier alternativen Routen zur „Neu- en Seidenstraße“ in Richtung Russland und China gibt. Ebenfalls von Interesse ist eine Zusammenarbeit mit dem Port of Antwerp in Belgien zum Thema „green shunting“ und die Abwicklung von Einzel- wagen-Verkehren. Hier muss man aber richtig querdenken und die bestehen- den Systeme komplett neu entwickeln. Jedenfalls sehen wir es als unsere Auf- gabe, ganzheitliche Konzepte anzubie- ten. Transport können wir schon, Logistik braucht noch ein wenig mehr Pfeffer. Drehscheibe: Ihr Unternehmen expan- diert aktuell im niederösterreichischen Gramatneusiedl im Infrastrukturbereich und baut dort ein hochmodernes Ser- vicezentrum. Welche Vorteile birgt der Aufbau von eigener Serviceinfrastruktur für die LTE-group? CEO Mandl: Selbst für die kleinen In- standhaltungen war es bisher oft notwen- dig, weite Wege von den Hauptrouten in die Werkstätten zu fahren. Der Standort in Gramatneusiedl hingegen liegt direkt am Kreuzungspunkt zweier europäischer Korridore. Wir sehen hier allein durch die Vermeidung der Lokzug-Fahrten großes Einsparungspotential. Die Werkstätte ist aber kein reiner LTE-Standort, sondern offen für alle Bahnbetreiber sowie für Hersteller von Lokomotiven. Drehscheibe: Die GKB plant im Kon- text mit dem Entstehen der Koralmbahn, den Ausbau ihrer (Bahn-)Infrastruktur und die Elektrifizierung des gesamten Streckennetzes. Welche Vorteile ergeben sich aus diesen innovativen Großprojek- ten für die LTE-group? CEO Mandl: Das Cargo Center Graz ist der Hinterland-Hub zu den Häfen in der nördlichen Adria. Wir betreiben schon seit Jahren eine tägliche Verbin- dung Graz-Koper. Die Koralmbahn selbst bringt uns hier leider keinen Vorteil (Anm.: wegen der Steigung Rosenbach-Jese- nice). Hilfreich für den steirischen Wirt- schaftsraum war die Öffnung der slowe- nischen Strecke von Spielfeld in Richtung Ljubljana mit der Lastgrenze „D4“. Damit haben wir jetzt die Erlaubnis, diesen Stre- ckenabschnitt mit unseren E-Loks (90t Gewicht) zu befahren. Drehscheibe: Vor der Pandemie fuhr die LTE von Erfolg zu Erfolg, hat Corona diese „Zugkraft“ gebremst? Wie sieht die Zukunft des Unternehmens aus? CEO Mandl: Selbstverständlich haben wir wie jedes andere Unternehmen auch die Krise gespürt. Der Automotive-Be- reich ist stark eingebrochen, die Trans- porte zu den Flughäfen mit Kerosin sind sogar komplett weggefallen. Im intermo- dalen Sektor waren die Schwankungen teilweise sehr massiv auf und ab. Aber wir haben schnell reagiert – Maschinen stillgelegt, beim Personal viele Schulun- gen vorgezogen, viel Urlaub und Zeitaus- gleich abgebaut – an dieser Stelle möch- te ich nochmals meinen Dank für das Verständnis der Mitarbeiter/innen dafür aussprechen – schlicht und einfach: wir haben Kosten gespart. Und ja, natürlich hat der Sektor Bahn in einigen Ländern auch Unterstützung von den Regierun- gen bekommen. Drehscheibe: Die LTE-group ist seit nunmehr 20 Jahren ein äußerst erfolgrei- cher Player im europäischen und sogar internationalen Schienengüterverkehr. Was wünscht sich ihr CEO von der Euro- päischen Union, wohin soll sich die Ver- kehrspolitik der EU entwickeln? CEO Mandl: Ein großes Ziel der EU ist die Dekarbonisierung des europäischen Kontinents bis 2050 und hier spielt die Verkehrswende von der Straße zur Bahn eine große Rolle. Es gibt Bestrebungen und Bekenntnisse der Politik, aber wie so oft folgen auf große Worte nur kleine Ta- ten. Wobei man ehrlicherweise anmerken muss, dass sich das System Bahn oft selbst auf die Zehen steigt. Ein Beispiel ist das einheitliche Zugsicherungssystem ETCS - kann alles, ist aber nicht einheit- lich. Oder Englisch als Betriebssprache im Fahrdienst. Hier will man um viel Geld Übersetzungscomputer auf den Loks in- stallieren. Damit macht man nur das Sys- tem Bahn teurer. Eine wichtige Aufgabe für EU und Politik ist die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Straße und Schiene. Ohne LKW wird es nicht gehen. Aber die Elektrifizierung der Autobahnen ist Schwachsinn. Wir haben bereits ein mit Strom betriebenes Netz an Verkehrs- wegen in Europa. Es gibt noch sehr viel zu tun, das sprengt hier den Rahmen. Zum Thema „Verkehrswende“ könnten wir locker eine eigene Ausgabe der Dreh- scheibe füllen! Drehscheibe: Danke für das Interview! LTE-group CEO Mag. Andreas Mandl | INTERVIEW Bahnmanager Mandl hält das Steuer bei der LTE-group (l.) und beim Segeln (o.) fest in Hand

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