Drehscheibe Nr. 91 September 2020

9 Ausgabe 91 - September 2020 | voran zu treiben. Unser Verkehrsreferent Landeshauptmannstellvertreter Anton Lang ist diesbezüglich in intensiven Ge- sprächen mit dem Ministerium und der GKB, denn nur durch einen gemeinsa- men Kraftakt kann dieses teure und kom- plizierte Vorhaben finanziert werden. Drehscheibe: Wie wichtig sind inno- vative Infrastrukturgroßprojekte, wie die Koralmbahn und der Semmering-Basis- tunnel, für unser Bundesland? VPräs.in Grossmann: Es hat sich ausgezahlt für die Koralmbahn und den Semmering-Basistunnel zu kämpfen! Dadurch sind wir ans europäische Stre- ckennetz vom Baltikum im hohen Norden bis an die Adria und damit an die welt- weiten Wasserwege angebunden. Als Exportland ist das für die Steiermark eine wirtschaftliche Überlebensfrage. Ich bin mir sicher, diese Strecke wird den Güter- verkehr und auch den Personenverkehr revolutionieren und die Steiermark rückt noch mehr in Europas Mitte. Drehscheibe: Wo sehen Sie, weitere Möglichkeiten für eine nachhaltige Regi- onalentwicklung - insbesondere im Ver- kehrsbereich - in der Weststeiermark? VPräs.in Grossmann: Entscheidend ist, dass die Menschen unsere modernen Bahnen auch nutzen (können). Dazu ge- hören zuverlässige, gut abgestimmte Zu- bringerlinien. Die im Aufbau befindlichen Mikro-ÖV-Systeme geben Hoffnung, dass auch Bewohner/innen abseits der größeren Städte nicht vom Öffentlichen Verkehrsnetz abgeschnitten sind. Das gibt auch älteren Menschen Sicherheit, in ihrem gewohnten Lebensumfeld ver- bleiben zu können. Das Fahrrad und der Scooter sind nicht nur Sportgeräte, sondern auch immer beliebtere Verkehrs- mittel. Dafür braucht es entsprechend si- chere Wege, Abstellplätze bzw. Mitnah- memöglichkeiten, um auch am Zielort mobil zu sein. Letzteres gibt es bei der GKB erfreulicherweise schon. Drehscheibe: Insbesondere der stei- rische Zentralraum leidet unter Luftver- schmutzung! Empfinden Sie, als hoch- rangige Vertreterin der Weststeiermark in Wien, die (über-)regionalen Konzepte der Politik zum Klimaschutz als ausreichend? VPräs.in Grossmann: Nicht nur Luft- verschmutzung, auch Lärm und Unfallri- siken beeinträchtigen die Lebensqualität im steirischen Zentralraum und Teilen der Südwest-Steiermark. Angesichts der Tatsache, dass der Großraum Graz zu den am stärksten wachsenden Wohn- räumen Europas zählt und prozentual stärker wächst als Wien braucht es einen Sofort- Maßnahmenplan Süd! Ähnlich der Nahverkehrsmilliarde, mit der vor Jahrzehnten in Wien die U- Bahn finan- ziert wurde. Wenn nicht bundesseitig rascher Taten gesetzt werden, droht das Verkehrssystem an Überlastung zu kol- labieren! Die enorme Verkehrsbelastung hat auch gesundheitliche Folgen: Erkran- kungen der Atemwege, Schlafstörungen etc. nehmen nachweisbar zu - das und die Auswirkungen auf unser Klima kann die Politik nicht kalt lassen! Drehscheibe: Als Bundesratsvizepräsi- dentin agieren Sie auch auf europäischer Ebene. Wohin soll sich die Verkehrspolitik der EU aus Ihrer Sicht entwickeln und wie nimmt der Bundesrat Einfluss? VPräs.in Grossmann: Die Freiheit des Waren- und Personenverkehrs ist ein Grundpfeiler der EU und die Grundlage für Wirtschaft, Beschäftigung und Wohl- stand. Allerdings ist Österreich als Tran- sitland besonders belastet. Daher ist es unser ureigenstes Interesse, den Verkehr zunehmend auf die Schiene zu verlagern. Insbesondere der Güterverkehr sollte im überörtlichen Raum ausschließlich über die Bahn abgewickelt werden. Da brau- chen wir auch Kostenwahrheit. Der weit- reichende Schaden, der durch den LKW- Transport angerichtet wird [ s. o. ] wird in die Transportkosten nicht eingepreist. Daher setze ich mich mit meinen Kolleg/ innen im sehr aktiven Europaausschuss des Bundesrats für umweltverträgliche Transporte ein. Heimische Produkte soll- ten generell aufgewertet werden. Drehscheibe: Danke für das Interview! Bundesratsvizepräsidentin Elisabeth Grossmann | INTERVIEW Die Weststeirerin Elisabeth Grossmann studierte nach der Matura in Graz Rechts- wissenschaften. Daneben widmete sie sich der Erziehung der beiden Söhne und arbeitete als Verkäuferin, Sekretärin und Pflegehilfskraft. Nach dem Gerichtsprak- tikum wurde sie Geschäftsführerin der Frauenplattform Bezirk Voitsberg und war Mitbegründerin der steirischen Zentren für Ausbildungsmanagement (ZAM) zur Quali- fizierung arbeitssuchender Frauen. 2002 wurde Mag. Elisabeth Grossmann erst- mals in den Nationalrat gewählt, wo sie zunächst als Jugendsprecherin, das erste Kinder- und Jugendparlament, den Proto- typ der Demokratiewerkstatt ins Leben rief. 2009 bis 2013 legte Elisabeth Gross- mann als Landesrätin den Schwerpunkt auf den Ausbau von Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen, sowie die Auf- wertung der Lehre (Modernisierung der Berufsschulen und Fachschulen, Lehre mit Matura) Bildung, Jugendförderung und Chancengerechtigkeit für Frauen prägen auch danach wieder im Nationalrat und Bundesrat ihre Arbeit. Seit Juli bekleidet sie die Funktion der Vizepräsidentin des Bundesrates.

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