Drehscheibe Nr. 87 September 2019

12 | Ausgabe 87 - September 2019 H I STOR I SCHE BETRACHTUNGEN Die Eisenbahn und das Militär / Teil 2 – Eisenbahntruppen im 20. Jahrhundert Nach dem Ende des Ersten Weltkrie- ges verloren Eisenbahntruppen – u. a. durch motorisierte Logistikformen – schnell an Bedeutung, die Rechts- nachfolger der Mittelmächte wurden zudem demilitarisiert. Der Reichswehr in der Weimarer Repu- blik waren Eisenbahntruppen verboten, die Inspektion der Verkehrstruppen wur- de 1935 aufgelöst. Es darf angenommen werden, dass ähnliche Regelungen auch für Österreich bestanden. Die ehemali- gen Soldaten und Offiziere der k. u. k. Ei- senbahntruppen wurden nach dem Krieg aber ohnehin für die Neuausrichtung des österreichischen Eisenbahnwesens be- nötigt und verdrängten bei der Rückkehr jene Frauen, die sie während der Kriegs- zeit ersetzt hatten. Das neue, wesent- lich kleinere, österreichische Eisenbahn- netz wurde sukzessive elektrifiziert, da man von den Erz- und Kohlegruben in Böhmen abgeschnitten war. Außerdem mussten die betrieblichen Strukturen dem nun sehr viel kleineren Staatsgebiet angepasst werden. Die militärische Be- deutung der Eisenbahn im Ständestaat war eher gering, allerdings wurden wäh- rend des Bürgerkrieges 1934 Panzer- züge mit Artilleriebestückung eingesetzt. Nach dem Anschluss im Jahr 1938 wur- de die österreichische Armee in die deut- sche Wehrmacht eingegliedert. Eisenbahntruppen in der Wehrmacht Mit der Aufstellung der Wehrmacht, er- folgte auch die Neuaufstellung der Ei- senbahnpioniere. Für den Westfeldzug wurden acht Betriebskompanien auf- gestellt, wovon sieben im Westen und eine in Norwegen eingesetzt wurden. Bald zeigte sich, dass diese Strukturen auf keinen Fall ausreichen würden und es wurden weitere Einheiten aufgestellt. Dem Befehlshaber der Eisenbahntrup- pen, General Otto Will, unterstanden alle für Bau und Betrieb von Vollbahnen und Feldbahnen aufgestellten Heeres- truppen. Am 1. November 1943 wurden die, nun „Eisenbahnbetriebstruppen“ genannten, Einheiten als selbständige Waffengattung neben den Eisenbahn- truppen geführt. Ihre Waffenfarbe war schwarz, mit einem gotischen "EB" als Truppenkennzeichen auf den Schulter- klappen. Die Eisenbahn war insbeson- dere für die Kriegsführung im Osten von entscheidender Bedeutung, dort war sie das wichtigste Verkehrsmittel für den Nachschub- und Truppentransport. Die Straßen in der Sowjetunion waren meist nicht ausgebaut, die Nutzung wetterab- hängig und die Kraftfahrzeuge störanfäl- lig. Jede Heeresgruppe der Wehrmacht bekam vor Beginn des Unternehmens "Barbarossa" eine russische Haupt- strecke für den Vormarsch zugeteilt, die Truppenteile hielten sich aber meist nicht an diese Vorgabe. Die Rote Armee nahm zudem umfangreiche Zerstörungen an Fahrzeugmaterial und Bahnanlagen vor. Das hatte zur Folge, dass die Wehr- macht die russischen Gleisanlagen auf die in Deutschland übliche Normalspur umspuren musste. Innerhalb von nur drei Monaten wurden 16.148 km Schie- Ein Militärzug des Versorgungsregiments 1 am Bahnhof Lieboch im Rahmen einer Übung Panzerentladung am Bahnhof Voitsberg

RkJQdWJsaXNoZXIy NTgxNjc=