Drehscheibe Nr. 83 September 2018

8 | Ausgabe 83 - September 2018 I NTERV I EW / WEGBEGLE I TER DER GKB Drehscheibe: Herr Sek- tionschef! Wie haben Sie, als einer der Geburtshelfer der neuen GKB, die Ereignisse damals rund um die Unter- nehmensgründung erlebt? SC Prof. Dr. Gürtlich: Die Trennung zwischen Bergbau- betrieb und Eisenbahnbetrieb war ein Gebot der Stunde, da es nicht mehr zeitgemäß war völlig unterschiedliche Unter- nehmensbereiche in einer Firma zu vereinen. Dies betraf einerseits den stillschweigen- den Vorwurf der Bergbaube- reich würde durch den Eisen- bahnbereich subventioniert und andererseits die An- nahme den Angestellten und Arbeitern ginge es im Berg- bau besser als im Eisenbahn- bereich. Unternehmensspal- tungen, so notwendig diese auch sind, sind immer von Verwerfungen begleitet, da bestehende Struktur zerrissen und neu aufgebaut werden müssen. Letztlich verlief die Unternehmensspaltung je- doch erstaunlich schnell und verursachte keine größeren Probleme. Drehscheibe: Die GKB hat sich in den letzten 20 Jahren von einer Regionalbahn zur international erfolgreichen Unternehmensgruppe entwi- ckelt. Wo sehen Sie als lang- jähriger Wegbegleiter die Mei- lensteine dieser Entwicklung? SC Prof. Dr. Gürtlich: Der Eisenbahnbereich gab sich unmittelbar nach der Abspal- tung ein modernes Image und versuchte die Realisie- rung neuer Technologien und Innovationen zum Unterneh- mensziel zu machen. Das Ma- nagement war sich bewusst, dass eine alleinige Ausrich- tung auf den Regionalver- kehr keine zukunftsweisende Strategie darstellt. Insofern war die Gründung des Eisen- bahnunternehmens LTE eine logische Folge. Gemeinsam mit dem damaligen 50 Pro- zent Eigentümer PORR soll- ten Baustellenverkehre bzw. Baustellenversorgungen der Hauptzweck des Unterneh- mens LTE sein. Doch auch dieser Ansatz schien der Ge- schäftsführung der GKB zu eng gefasst, sodass mit dem neuen Partner Rhenus die ganze Bandbreite des Güter- verkehrs zum Unternehmens- gegenstand wurde. Spätes- tens mit der Gründung der Adria Rail, gemeinsam mit dem Hafen Koper ist die GKB ein bedeutender Partner für den europäischen Schienen- güterverkehr geworden. Drehscheibe: Die Eisen- bahnprojekte Koralmbahn und Semmering-Basistunnel bringen große Entwicklungs- möglichkeiten. Wo sehen Sie die Chancen für unsere Unter- nehmensgruppe? SC Prof. Dr. Gürtlich: Koralmbahn und SBT geben der GKB neue Chancen und zusätzliche Entwicklungs- möglichkeiten. Zwar hat die GKB durch die Beschaffung neuer Fahrbetriebsmittel im Personenverkehr neue Maß- stäbe auf ihrer Stammstrecke gesetzt, die GKB verfügte be- reits vor der ÖBB über Dop- pelstockwagen, doch letztlich ist die GKB ein Regionalcar- rier geblieben. Insofern bilden die beiden Eisenbahninfra- strukturprojekte die Chance auch im Schienenpersonen- verkehr neue Marktanteile zu gewinnen. Voraussetzung wird jedoch sein, dass die beiden GKB-Strecken elektri- fiziert werden. Drehscheibe: Öffentlicher Verkehr „boomt“ aktuell, die Fahrgastzahlen steigen und die S-Bahn Steiermark ist ein Erfolgsprojekt. Wo gibt es Ihrer Meinung nach Entwick- lungspotenzial im Regional- verkehr der Steiermark? SC Prof. Dr. Gürtlich: Eine weitere Entwicklungs- möglichkeit der GKB bestün- de darin, dass diese von den Österreichischen Bundes- bahnen die Regionalbahnen in der Steiermark und in den angrenzenden Bundeslän- dern übernimmt und betreibt. Diese Aufgabenteilung wäre nicht unlogisch, die ÖBB sind aufgrund ihrer Größe und Struktur das Eisenbahnunter- nehmen für Hauptstrecken, den grenzüberschreitenden Personenverkehr und den Verkehren in Ballungsräu- men, während die GKB den Regionalverkehr übernehmen könnte, für den es bestens geeignet ist. Drehscheibe: Die GKB de- finiert im aktuellen Strategie- papier des Unternehmens, die Elektrifizierung des Stre- ckennetzes als wichtiges Ent- wicklungsziel. Wie beurteilen Sie, als hoher Beamter des BMVIT und ausgewiesener Experte, die Überlegungen zum Ausbau der GKB? SC Prof. Dr. Gürtlich: Die Elektrifizierung der GKB ist eine logische Weiterentwick- lung des Infrastrukturprojek- tes Koralmbahn. Die GKB benutzt bereits Teile der elekt- rifizierten Koralmbahn, sodass auch die Strecke der GKB zu elektrifizieren wäre. Verkehrs- politisch wäre dies sicher eine zukunftsweisende Entschei- dung, die Frage der Finanzie- rung ist jedoch noch offen. Drehscheibe: Wir danken für das Interview! Wie es damals war ... Der in Niederösterreich geborene Gerhard Gürt- lich schloss 1977 das Studium der Betriebswirt- schaftslehre an der WU-Wien ab, wo er sich auf Transportwirtschaft und Marketing spezialisierte. Im Jahr 1980 wurde er „Mit Auszeichnung“ zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften promo- viert. Mag. Dr. Gürtlich ist seit 1981 im Bundes- ministerium für Verkehr, Innovation und Techno- logie tätig und leitet die Sektion IV - Verkehr, die auch die Oberste Eisenbahnbehörde umfasst. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Uni- und FH-Lektor wurde SC Dr. Gürtlich auch eine Professur verliehen, er ist aktuell Lektor an der WU-Wien und FH-St. Pölten sowie Mitglied mehrerer Aufsichtsräte und Publizist zahlreicher Fachbücher. Sektionschef Prof. Mag. Dr. Gerhard Gürtlich und Aufsichtsrätin a. D. Mag. Gabriele Lut- ter, zwei langjährige Wegbegleiter/innen der Unternehmensgeschichte, im Interview:

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