Drehscheibe Nr. 102 Juni 2023

13 Ausgabe 102 - Juni 2023 | 70 Jahre Roter Blitz | HISTORISCHE BETRACHTUNGEN strecken bei. Dass der Waggonfabrik Uerdingen mit dem Schienenbus ein wahrlich großer Wurf geglückt ist, zeigen schon die Produktionszahlen: von 1950 bis 1968 wurden insgesamt 1492 Motorwagen sowie 1814 Bei- und Steuerwagen produziert. Haupteinsatzgebiete waren Deutschland, Österreich, Spanien, Italien, Luxemburg und Großbritannien. Gebrauchte Schienenbusse kamen auch in die Türkei und den Libanon, nach Belgien und nach Urugay. Der „Rote Blitz“ bei der GKB Da die ursprünglichen Fahrzeuge nicht den Anforderungen der GKB entsprachen, entschloss man sich zweimotorige Exemplare zu beschaffen. So erhielt die GKB mit dem VT10.01 und dem VT10.02 die ersten, mit zwei Dieselmotoren ausgerüsteten Triebwagen. Am 31. Dezember 1953 kamen Anhänger dazu. Da sich die Uerdinger Triebwagenzüge gut bewährten, beschaffte die GKB in den Jahren 1954 bis 1956 weitere Schienenbusse und Anhänger, wobei als Besonderheit der VT10.03 zu erwähnen ist, der 1955 in Mexiko im Einsatz war. Außerdem stellte man im Oktober 1956 Anhänger für Postbeförderung in Dienst. Im Laufe der Zeit wuchs der Bestand auf 13 Motorwagen und 21 Beiwagen an. Als im Jahr 1968 der VT10.09 ausgeliefert wurde, war dies nicht nur der letzte Schienenbus für die GKB – mit ihm endete auch die Produktion der Uerdinger Schienenbusse. Bei der GKB wurden die Schienenbusse anfänglich bevorzugt bei Eilzügen eingesetzt; nach und nach übernahmen sie einen Großteil der Zugleistungen, bis in den 1970er Jahren nur mehr Pendlerzüge von Dampflokomotiven gezogen wurden. Auch auf der Sulmtalbahn kamen sie zum Einsatz. Dass die Bezeichnung „Roter Blitz“ durchaus ihre Berechtigung hatte, beweist die Tatsache, dass 1954 die Fahrzeit für den Eiltriebwagen nach Graz von Voitsberg 38 Minuten bzw. von Wies-Eibiswald 64 Minuten betrug, was eine Reisegeschwindigkeit von mehr als 62 km/h bedeutete. Ende des Planbetriebes und Nostalgiebetrieb Als 1981 bzw. 1985-86 die 13 neuen Triebwagen des Typs VT70 beschafft wurden, verdrängten diese nach und nach den Roten Blitz aus dem Planverkehr, bis 1993 die Beschaffung von fünfzehn neuen Doppelstockwaggons das endgültige Aus brachte. Am 22. Mai 1993 erfolgte der letzte planmäßige Einsatz einer Schienenbusgarnitur mit dem Regionalzug 8568 von Wies-Eibiswald nach Graz. In der Folge wurden die nicht mehr benötigten Schienenbusse ausgeschieden. Einige wurden leider verschrottet, viele fanden jedoch eine neue Heimat. Ein besonderes Schicksal widerfuhr dem VT10.02: Nach dem Ende seiner „aktiven Dienstzeit“ – er hatte in 40 Dienstjahren 3,2 Mio. km zurückgelegt – war er 1993 bei der GKB ausgeschieden und nach München verkauft worden. Nachdem keine geeignete Verwendung gefunden wurde, sollte er verschrottet werden. Einigen beherzten Vereinsmitgliedern ist es zu verdanken, dass der VT10.02 im Jahr 1997 von den „Steirischen Eisenbahnfreunden“ erworben und im letzten Augenblick gerettet werden konnte. Sehr viel Idealismus und Arbeit waren erforderlich, um den Schienenbus in den heutigen Zustand zu versetzen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im „Look“ der 1970er Jahre, also mit der Originallackierung und altem GKB-Emblem, präsentiert sich der VT10.02 als perfekt restauriertes Fahrzeug für Ausflugs- und Sonderfahrten. Text: Gottfried Aldrian (red. gek.) Fotos: GKB_Archiv & GKB_Ferk Triebfahrzeugführer am offenen Führerstand des VT10.02 VT10.02 unter der Burg Deutschlandsberg

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